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v.l.: Dr. Joachim Clemens, Dr. Sandra Schwindenhammer, Kathrin Poetschki, Volkmar Keuter und Dr. Dennis Blöhse (Foto: Agrobusiness Niederrhein)
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Aus dem Projekt "Agropole Innovates"

Nährstoffe aus städtischem Abwasser als Pflanzendünger wiederverwenden? Die Firma Soepenberg und das Projekt SUSKULT zeigen, wie es gehen kann

Egal ob Landwirtschaft, Gemüse- oder Zierpflanzenbau, Pflanzen brauchen Nährstoffe. Das Thema Düngung steht jedoch zunehmend vor Herausforderungen. Die Herstellung von Mineraldünger braucht viel Energie. Im Zuge des Ukrainekrieges wurden nicht nur wichtige Lieferketten aus Russland und der Ukraine unterbrochen, es war aufgrund der stark gestiegenen Gaspreise auch ein starker Anstieg der Düngemittelpreise zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass Nährstoffe wie Phosphor als Rohstoff in Deutschland nicht verfügbar und die weltweiten Phosphorvorräte zudem begrenzt sind. Damit bekommen der effiziente Umgang und ein möglichst geschlossener Kreislauf eine immer größere Bedeutung.

Über städtische Abwässer gelangt Phosphor in die regionalen Kläranlagen. Ab 2029 sind Anlagenbetreiber gesetzlich verpflichtet, Phosphor aus den Abwässern zurückzugewinnen, sofern der Phosphorgehalt in der Klärschlammtrockenmasse zwei Prozent übersteigt. Seit Jahren forschen Unternehmen und Wissenschaft daher daran, wie Phosphor aus Abwässern extrahiert und als Pflanzennährstoff zurück in einen natürlichen Kreislauf gebracht werden kann.

Im Juni lud Agrobusiness Niederrhein e. V. zu einer Veranstaltung auf das Gelände der Kläranlage der Emschergenossenschaft in Dinslaken ein, bei der verschiedene Möglichkeiten des Nährstoffrecyclings aus Abwässern vorgestellt sowie rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen diskutiert wurden.

Zum Einstieg berichtete Dr. Dennis Blöhse von Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV) über die Perspektive der Abwasserwirtschaft im Zusammenhang mit dem Thema Nährstoffrecycling. EGLV sind mit 59 Kläranlagen in ihren Verbandsgebieten für die Reinigung der Abwässer von rund 3,6 Mio. Einwohnern verantwortlich und damit einer der größten Abwasserentsorger Deutschlands. Hinzu kommen Aufgaben wie Hochwasserschutz, Regenwassermanagement, Renaturierung und Klimaanpassung. Die Verpflichtung zur Rückgewinnung von Phosphor, die ab 2029 gilt, betrifft auch die Anlagen von EGLV. Aus diesem Grund forschen EGLV gemeinsam mit anderen Wasserwirtschaftsverbänden und Tochterunternehmen sowie wissenschaftlichen Institutionen bereits intensiv an Möglichkeiten zur Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Dr. Blöhse stellte unter anderem bereits abgeschlossene Aktivitäten in einem europäischen INTERREG NWE Projekt „Phos4You“ (2016-2021) sowie aktuelle Aktivitäten im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) durch die Förderlinie „Regionales Phosphor Recycling (RePhoR)“ finanziertes Projekt mit dem Akronym „AMPHORE“ (2020-2025) vor. In dessen Rahmen wird eine großtechnische Demonstrationsanlage zum Phosphorrecycling durch eine neu gegründete Gesellschaft, die PhosRec GmbH, am Betriebsstandort in Bottrop gebaut und ab 2024 betrieben.

Lebensmittelanbau in Städten mithilfe von Nährstoffen, die aus Abwasser gewonnen werden?

In einem weiteren Vortrag ging der Verbundkoordinator Volkmar Keuter vom Fraunhofer UMSICHT auf das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2019 geförderte Verbundforschungsprojekt SUSKULT ein, das in Kooperation mit EGLV und weiteren Partnern durchgeführt wird. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines nachhaltigen Anbausystems für Nahrungsmittel resilienter Metropolregionen, das durch innovative Nährstoffkreislaufschließung Ressourcen spart und zur Sicherung der lokalen Nahrungsmittelversorgung beiträgt. Vision des Projekts ist die Transformation konventioneller Kläranlagen zu Zentren der lokalen Nährstoffrückgewinnung und der Anbau von Gemüse und Salaten in der Nähe von Ballungsräumen und in kontrollierter Umgebung (indoor), wodurch sich Parameter wie u.a. Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Nährstoffzufuhr gezielt steuern lassen. „Ich gebe zu, aus heutiger Sicht klingt das für viele noch etwas futuristisch, aber angesichts des Klimawandels – Stichwort Extremwetterereignisse und Wasserknappheit – sowie der Notwendigkeit zur Einsparung von Ressourcen und der Reduktion von Emissionen werden die Vorteile einer stadtnahen Lebensmittelproduktion, die nicht auf dem Acker, sondern in Gebäuden stattfindet, zunehmend wichtiger“, ist Keuter überzeugt. Die Landwirtschaft, wie wir sie bisher kennen, werde deshalb nicht weniger relevant, aber der vertikale Indoor-Anbau von Lebensmittel könnte eine Ergänzung sein, die dem Ernährungssystem zu mehr Ertragssicherheit und einer Entlastung für die Umwelt verhilft. Das Besondere am Projekt SUSKULT ist dabei die enge Verknüpfung von Kläranlagen als Nährstofflieferanten mit der urbanen Lebensmittelproduktion. Im Technikum auf dem Gelände der Kläranlage Emscher-Mündung in Dinslaken betreiben die 15 Projektpartner seit September 2022 eine Pilotanlage, in der bereits Versuche mit Blattsalaten und Wasserlinsen erfolgreich durchgeführt werden.

Verbraucherinnen und Verbraucher zeigen sich offen gegenüber den Lebensmitteln aus dem SUSKULT-Kultivierungssystem

„Um das SUSKULT-Verfahren zukünftig auch im großen Stil umsetzen zu können, ist die Akzeptanz von Verbraucherinnen und Verbraucher essentiell. Darum verfolgen wir bereits jetzt, parallel zur Entwicklung der Verfahren zur Nährstoffrückgewinnung und -aufbereitung als Düngemittel einen partizipativen Forschungsansatz, in dem wir schon früh den Austausch mit der Gesellschaft suchen. Wir zeigen, was wir vorhaben und wie das funktioniert und wir fragen nach der Meinung und den möglichen Sorgen oder Bedenken“, berichtet Keuter. Die im Projekt SUSKULT umgesetzten Stakeholderbefragungen und Diskussionen haben gezeigt, dass eine Mehrheit dem neuen Anbauverfahren und dem Einsatz von Dünger aus Abwasser offen gegenüber ist.

Neues Anbausystem verknüpft verschiedene Politikfelder – Politikintegration erfordert Zusammenarbeit

Außerdem befasst sich das Projekt mit der Frage, welche rechtlichen Herausforderungen (noch) bestehen, um Nährstoffe aus Abwässern als Düngemittel vertreiben und einsetzen zu dürfen. Auf diese Fragen ging Dr. Sandra Schwindenhammer von der Justus-Liebig-Universität Gießen ein, die ebenfalls im Projekt SUSKULT mitarbeitet. Zwar strebe die Politik an, dass zukünftig mehr Wirtschafts- und damit auch Nährstoffkreisläufe geschlossen werden, aber aktuell stellen laut Dr. Schwindenhammer die deutsche Rechtslage sowie das EU-Recht Pioniere, die Nährstoffe aus Abwässern zurückgewinnen und als Dünger vermarkten und nutzen wollen, vor einige Herausforderungen. Ein Problem dabei ist, dass Recyclingprodukte ihre „Abfalleigenschaft“ verlieren müssen, um als neues Produkt zugelassen zu werden. „Hier greifen Kreislaufwirtschaftsgesetz, Abwasserrecht, Abfallrecht, Düngemittelrecht, Lebensmittelrecht und Landwirtschaftspolitik ineinander. Unsere jetzige Rechtslage ist für derartige Kreislaufsysteme wie etwa den Anbau von Lebensmitteln auf dem Gelände einer Kläranlage und unter Einsatz von Nährstoffen aus der Abwasseraufbereitung bisher nicht ausgelegt“, erklärt Dr. Schwindenhammer. Sie sieht großen Bedarf an Zusammenarbeit verschiedener Akteure über die Grenzen verschiedener Sektoren hinweg, um rechtliche Hürden zu überwinden. Das SUSKULT-Projekt leistet Beiträge zur politischen Diskussion, indem regulative Hürden aufgedeckt werden und mit verschiedenen Akteuren gemeinsam an politischen Handlungsempfehlungen gearbeitet wird.

Erste Erfolge in der Praxis machen Mut

Die Firma SF-Soepenberg GmbH aus Hünxe erstellt Reststoffkonzepte für die Industrie und verarbeitet nährstoffhaltige Stoffströme zu Düngemitteln. Das Unternehmen hat ein eigenes Verfahren namens iPhos entwickelt, das dem Wasser Phosphat entzieht und damit den Phosphatgehalt in der Klärschlammtrockenmasse auf unter zwei Prozent bringt. Noch diesen Sommer soll die erste Anlage in Betrieb gehen, die mit diesem Verfahren Phosphat aus Abwasser von ca. 5.000 Einwohnern zurückgewinnen kann.

iPhos und andere Verfahren zur P-Rückgewinnung aus Abwasser produzieren das Mineral Struvit, welches Phosphor, Magnesium und Stickstoff enthält. Dr. Joachim Clemens von der Firma Soepenberg ist überzeugt von den positiven Eigenschaften von Struvit als Dünger, der bereits heute für den Einsatz in der Landwirtschaft erworben werden kann. Struvit fällt durch Zugabe von Magnesiumverbindungen im Abwasser aus. Das führt dazu, dass Leitungsrohre in den Kläranlagen frei bleiben. Gleichzeitig wird hochwertiges Ausgangsmaterial für Düngemittel gewonnen. „Struvit wirkt wie Mineraldünger, das zeigen viele unabhängige Studien. Der in Struvit enthaltener Phosphor, Stickstoff und das Magnesium sind ebenso gut verfügbar für die Pflanzen wie bei Mineraldünger. In der Landwirtschaft hat Struvit den zusätzlichen Vorteil, dass es nicht wasserlöslich ist und die Nährstoffe erst abgegeben werden, wenn die Wurzeln den Dünger durch ihre leicht sauren Wurzelausscheidungen lösen. Das reduziert auch Nitratauswaschungen und Lachgasemissionen. Somit ist Struvit ein grundwasser- und klimafreundliches Düngemittel“, erklärt Dr. Clemens. In seinem Vortrag stellte er die RePhor-Projekte Satellite und P-Net vor, in denen die SF-Soepenberg GmbH aktiver Projektpartner ist.

Zum Abschluss der Veranstaltung besichtigten die Teilnehmenden noch die Pilotanlage des SUSKULT-Projekts, die direkt auf dem Gelände der Kläranlage Emscher-Mündung in Dinslaken platziert ist.

v.l.: Dr. Joachim Clemens (SF-Soepenberg GmbH), Dr. Sandra Schwindenhammer (Justus-Liebig-Universität Gießen), Kathrin Poetschki (Agrobusiness Niederrhein e.V.), Volkmar Keuter (Fraunhofer UMSICHT) und Dr. Dennis Blöhse (EGLV) berichten über Potentiale und Herausforderungen des Nährstoffrecyclings aus Abwässern (Foto: Agrobusiness Niederrhein e.V.)