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Anna van Heek und Kathrin Poetschki (beide Agrobusiness Niederrhein) besuchten den Stautenhof und sprachen mit Betriebsleiter Christoph Leiders
Unternehmen aus der Grenzregion stellen sich vor

Christoph Leiders aus Willich am Niederrhein ist Landwirt und Manager des Jahres 2021

Einmal im Jahr vergibt agrarheute im Rahmen einer feierlichen Gala den „Ceres Award – Landwirt des Jahres“. 2021 erhielt Christoph Leiders vom Stautenhof in Willich diese Auszeichnung. Doch wie wird man zum „Landwirt des Jahres“ und wie sieht der Hof dahinter aus? Anna van Heek und Kathrin Poetschki, Mitarbeiterinnen von Agrobusiness Niederrhein, waren neugierig und haben sich mit Christoph Leiders für ein Interview verabredet. Sie berichten von ihrem Besuch auf dem Stautenhof:

 

Ein kalter Freitagmorgen im Januar. Während wir bei unserer Anreise das Gefühl hatten, der gesamte Niederrhein habe sich bei dem dichten Nebel, der an dem Morgen die Wetterlage bestimmt, in einen Winterschlaf zurückgezogen, herrscht am Stautenhof in Willich bei unserer Ankunft schon reges Treiben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufen im Innenhof umher und bringen frische Ware durch den Hintereingang in den Hofladen, vor dessen Tür einige Kunden auf Einlass warten, während andere Altglas und Pfandflaschen in die dafür vorgesehenen Behälter am Parkplatz einsortieren. Die E-Ladesäulen für Fahrräder sind aktuell alle unbesetzt – kein Wunder, bei diesem Wetter. Dennoch kann man sich vorstellen, wie hier an wärmeren Tagen nicht nur Einkäufe erledigt werden. Der große Sandplatz mit Spielgeräten und die Sitzgelegenheiten verraten, dass hier auch ein Ort zum Verweilen geschaffen wurde – für Jung und Alt.


Der Stautenhof lädt besonders in den wärmeren Jahreszeiten nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zu einem Familienausflug ein (Foto: Stautenhof)

Hinter der Eingangstür zum Hofladen erwartet uns zunächst eine umfangreich bestückte Theke mit Wurst- und Fleischwaren. Es duftet nach Mettwürstchen und ein wenig Zwiebel. Dem Gang folgend kommen wir an einer Käsetheke vorbei. Dazu sind dekorativ weitere Produkte in Szene gesetzt wie etwa Wein oder ein Feigen-Senf.

Der Weg führt weiter zur Brottheke. Der Zwiebelduft wird stärker. Im Verkaufsregal entdecken wir frischen Zwiebelkuchen. Das Frühstück ist noch nicht lange her, aber der Anblick und Geruch der frischen Produkte macht Lust auf die Mittagspause. Hier kommen wir nach unserem Interview sicher noch mal her, um uns etwas für den Heimweg mitzunehmen. Preise werden hier anhand des Gewichts der Brötchen und Brote ermittelt. So soll es fair bleiben, denn die Produkte kommen hier nicht genormt vom Fließband.

Am Ende des Gangs teilt sich der Laden auf: Rechts befindet sich das Bistro. Fast alle Tische sind belegt. Die Gäste genießen ihr Frühstück. Hinter dem Tresen der Bäckerei verbirgt sich eine Auswahl an Kuchen und Torten für alle, die es gern etwas süßer mögen. Links geht es weiter durch den Hofladen. Es folgen ein Raum mit viel frischem Obst und Gemüse – die Auswahl ist groß. Weiter geht es zu eingemachten Produkten. Marmeladen, Pastasaucen, Suppen, Eintöpfe und vieles mehr verbirgt sich in den Regalen. Sogar einige Pflege- und Hygieneartikel findet man hier.


Im Hofladen auf dem Stautenhof gibt es ein breites Angebot frischer Produkte (Foto: Agrobusiness Niederrhein)

Begeistert von unserem Rundgang durch den Hofladen treffen wir auf Anika Launert. Sie ist unter anderem verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Stautenhofs und bringt uns zu Christoph Leiders. Gemeinsam mit seiner Frau Beate leitet der 55-Jährige den Hof. Auch seine Tochter Theresa und ihr Mann Christoph Coßmann mit den beiden Söhnen Carlo und Constantin sind Teil des Betriebs und in die Arbeit auf dem Hof involviert.

Christoph Leiders führt uns zu den Sozialräumen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wo wir uns ungestört unterhalten wollen. Wir setzen uns an einen der einladenden Tische. Schnell stellen wir fest – ganz ungestört wird es nicht, aber wir finden es völlig normal, dass ein Betriebsleiter immer wieder Anrufe oder „kannst du mal eben“ Anfragen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhält. Diese Momente nutzen wir, um die Atmosphäre und das Miteinander auf dem Hof auf uns wirken zu lassen. Im Hintergrund ist eine sympathische ältere Dame damit beschäftigt, Gemüse für das Mittagessen zu schneiden. Zuvor hat sie uns einen Tee gemacht. Aus den Dialogen mit anderen wissen wir, dass sie Natascha heißt. Eine schöne Vorstellung, dass hier alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittags eine warme Mahlzeit angeboten bekommen. Dann fällt der Blick auf die Tür, die zur Terrasse führt, auf der weitere Tische und Bänke für die Pause stehen: „Bitte Türe schließen! Sonst trifft Euch Nataschas Fluch!“, steht auf einem Zettel, der an die Tür geklebt ist. Wir müssen schmunzeln. Am Stautenhof herrscht offensichtlich ein humorvolles und vertrautes Miteinander.

Dann kommen wir ins Gespräch mit Herrn Leiders. Wie wird man denn nun eigentlich zum „Landwirt des Jahres 2021“? Leiders erzählt über die Geschichte seines Betriebs und darüber, was den Stautenhof so besonders macht. 1987 hat Leiders den Pachtvertrag für den Betrieb übernommen. Zuvor hatten seine Eltern die rund 25 Hektar bewirtschaftet. Neun Milchkühe und 40 Mastschweine gehörten damals ebenfalls zum Hof. Seitdem ist viel passiert. Zum einen wurde der Betrieb 1997 auf bio-zertifizierte Bewirtschaftung umgestellt. Unzufriedenheit über die Standards in der Schweinehaltung ließ Familie Leiders die Produktion auf den ökologischen Landbau umzustellen. Darüber hinaus wurde über die letzten Jahrzehnte zunehmend in Direktvermarktung und auch Weiterverarbeitung hofeigener Produkte investiert.

2001 wurde eine eigene Metzgerei am Hof errichtet. Dies war der Start in die Direktvermarktung, welche an dem Standort in Willich, nahe der Stadt Krefeld auf ideale Vorrausetzungen traf. „Für Kundinnen und Kunden ist unser Hof nah genug, um hier die alltäglichen Einkäufe erledigen zu können, und gleichzeitig weit genug außerhalb, um ein bisschen Landluft zu schnuppern und das Gefühl mitzunehmen, wirklich beim Bauern eingekauft zu haben“, erklärt Leiders die Vorzüge seines Standortes.

Zehn Jahre später folgte die Errichtung einer Hofbäckerei und die Hühnerhaltung in Mobilställen, um das Angebot für den Hofladen zu vergrößern. Des Weiteren wurde der Gastrobetrieb eröffnet, der das Gesamtpaket vervollständigt. Im Jahr 2016 wurde die Rinderhaltung aufgenommen. Seitdem kann der Betrieb auch Rindfleisch aus eigener Haltung vermarkten. Die Jungtiere wachsen auf den grünen Eifelwiesen von Pensionsbetrieben auf, da der Stautenhof nicht genügend hofnahe Grünfläche hat. Im Alter von gut 1,5 Jahren kommen die Rinder zurück auf den Hof

Mitarbeiterführung ist eines der Kernthemen des Stautenhofes

Heute sind rund 60 Mitarbeitende in der Metzgerei, der Bäckerei, dem Hofladen, der Gastronomie, der Verwaltung und in der Landwirtschaft beschäftigt. „Jeder Bereichsleiter trägt die Verantwortung für den jeweiligen Zweig und kann selbstständig Investitionen tätigen“, erklärt Leiders.  Der hohe Mitwirkungsgrad der Mitarbeiter, der auf große Zufriedenheit trifft, wurde 2020 sogar schon mit dem Health Award ausgezeichnet, welcher für ein besonders gutes Arbeitsumfeld verliehen wird. Vor einigen Jahren lud Familie Leiders alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an zwei Wochenenden dazu ein, gemeinsam eine Zukunftsvision für den Stautenhof zu entwickeln, um auch ihre Interessen und Wünsche in die Weiterentwicklung des Hofes einzubeziehen. Zu diesem Anlass wurde sogar eine externe Moderatorin hinzugezogen.

Ein Wunsch, der damals genannt und 2020 umgesetzt wurde, war eine Kindertagesstätte am Hof zur Betreuung der Kinder von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Heutiger Träger ist die Bauernhofkindergarten Willich GmbH. Hier werden auch Kinder von Nicht-Mitarbeitern betreut und erleben hautnah den Umgang mit Tier und Natur. Drei Esel und zwei Ziegen sowie Kaninchen und Meerschweinchen gehören mit zum Kindergarten und werden von Kindern und Erzieherinnen versorgt. Eine weitere Besonderheit, die der Betrieb seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bietet: Wer möchte, darf eine befristete Auszeit von der Arbeit nehmen, um für eine Weile in einem anderen Betrieb ein Praktikum zu absolvieren. So sollen alle angeregt werden, sich inspirieren zu lassen und immer wieder nach Verbesserungsmöglichkeiten zu schauen. Auf die Frage, ob er mittlerweile mehr Manager als Landwirt sei, entgegnete Leiders: „Ich bin schon gerne am Managen, aber ich bin auch noch viel Landwirt“. Morgens kümmert er sich um die Schweine und auf dem Acker ist er für die Kartoffeln zuständig.


Christoph Leiders kümmert sich mit Leidenschaft um den Anbau der Bio-Kartoffeln des Stautenhofes (Foto: Stautenhof)

Etwas mit und für die Öffentlichkeit schaffen

Ein weiteres besonderes Merkmal des Betriebes ist sicherlich, dass Potentiale der Zeit und des Standortes erkannt und genutzt wurden, sodass stetig neue Schritte zur Vervollständigung folgen. Dabei scheinen Beate und Christoph Leiders ihrer Zeit voraus gewesen zu sein. Schon lange vorm Trend der Direktvermarkung investierten sie in das Geschäftsmodell und beispielsweise auch vor 10 Jahren in Hühnermobile, die erst später zum „Trend“ wurden. Dies trifft jedoch nicht immer auf offene Ohren. So wurde ihnen anfangs von einigen Ideen wie der Eröffnung der Gastronomie abgeraten. Die Bäckerei schien ebenfalls ein gewagtes Vorhaben zu sein, deshalb bediente sich Familie Leiders an dem unkonventionellen Konzept der Genussrechte, einer Form des Crowdfundings, um das eigene Risiko zu minimieren und Kunden an sich zu binden. Rund 50 Privatpersonen beteiligten sich so an der Finanzierung der Backstube, wodurch eine große Summe an Fremdkapital eingebracht werden konnte. Diese Kunden erhalten ihre Zinsen in Form von Gutscheinen, sogenannten Genussrechten, für die hofeigenen Produkte zurück. Laut Leiders wird das sehr gut angenommen. Durch diese Einbindung der Öffentlichkeit genießt der Hof große Zustimmung und kann stolz auf viele treue Kunden sein.

Zudem bietet das Team monatliche Hofführungen an, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Erzeugung der Produkte näher zu bringen. „Alle auf dem Hof produzierten Waren werden auch hier verkauft“, erklärt Anika Launert, die für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist. Der Stautenhof ist ein Beispiel wie Konsumenten direkt erfahren, wie und wo ihre Lebensmittel produziert werden, was in der heutigen Zeit immer wichtiger wird. Auch große Konzerne im LEH legen mehr Wert auf Transparenz und Tierwohl.  „Die Bevölkerung ist gebildet genug, um zu verstehen, dass Lebensmittel mit hohen Standards besser bezahlt werden müssen, wenn wir ausreichend Aufklärung betreiben“, sagt Leiders und ergänzt „es muss nur noch der politische Rahmen dafür geschaffen werden“.

 
Anna van Heek und Kathrin Poetschki, beide von Agrobusiness Niederrhein, im Gespräch mit Christoph Leiders, Landwirt des Jahres 2021 (Foto: Stautenhof)

Ein Paradebeispiel für alternative Vermarktung und gelungene Betriebsführung

Ende der 90er Jahre stellte sich Familie Leiders mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit des Hofes die Frage: „Landwirtschaft intensivieren oder alternative Vermarktungsstrategien?“. Sie entschied sich für letzteres – mit Erfolg! Alternative Einkommensquellen, die mit einem Festraum (dort ist heute das Bistro) erzielt wurden, gab die Familie zu Gunsten der Verarbeitung und Vermarktung eigener Produkte im Laufe der Jahre wieder auf. Was uns beiden noch lange in Erinnerung bleiben wird ist die Gelassenheit, Zufriedenheit und das herzliche Miteinander, dass die Stimmung am Stautenhof prägt. Bei all der Arbeit und den Sorgen, die viele landwirtschaftliche Betriebe plagen, ist ein so starker Zusammenhalt und wertschätzender Umgang unter Mitarbeitenden und Betriebsleitenden nicht selbstverständlich – vielleicht aber gerade der Schlüssel zum Erfolg.

Autorinnen: Anna van Heek und Kathrin Poetschki

 

Dieser Bericht wurde im Rahmen des Agropole-Projekts geschrieben. Das Agropole-Projekt wird innerhalb des INTERREG-Programms Deutschland-Niederland durchgeführt und durch die Europäische Union, das MWIDE NRW und die Provinz Limburg gefördert.

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